Exkursion Gedänkstätte Hohenschönhausen
Als wir, ein Teil der Schüler der 13. Klasse, am 19.12.2007 die Gedenkstätte Hohenschönhausen besuchten, freuten sich die meisten bereits im Voraus auf dieses „interessante Exkursionsziel“.
Gespannt betraten wir den Innenhof des ehemaligen Stasi-Gefängnisses. Hier nahm uns unsere Führerin Edda Schönherz in Empfang. Sie brachte uns zunächst in einen Seminarraum und erzählte uns dort und anschließend in der Führung die Geschichte der Gedenkstätte. Auf dem Gelände befand sich ursprünglich eine Großküche der Nazis, die jedoch sofort nach Kriegsende von den Sowjets beschlagnahmt wurde. Die Küche wurde in ein Sammel- und Durchgangslager umfunktioniert, unter katastrophalen Zuständen mehr als 4000 Menschen, darunter Jugendliche ab 12 Jahren und Frauen, eingesperrt. Durch Krankheit oder Schwäche Dahingeraffte wurden in den umliegenden Bombenkratern verscharrt. Als die Bevölkerung begann, sich wegen des strengen Geruchs zu beschweren, wurde das Speziallager im Oktober 1946 aufgelöst, bis die sowjetischen Besatzer darin anschließend ein zentrales Untersuchungsgefängnis einrichteten. Hier wurden ehemalige Nazis und sonstige politische Gegner in bunkerartige, winzige, fensterlose Kellerräume, nur mit einer Pritsche und einem Kübel eingerichtet, eingesperrt und mit Foltermethoden wie Schlafentzug, nächtlichen Verhören, körperlicher Gewalt, Licht- und Luftentzug, Tropfenfolter oder dem Aufenthalt in Wasserzellen zu Geständnissen gezwungen. Der Keller, in dem die Häftlinge unter miserablen Umständen hausen mussten, bekam schnell den treffenden Namen „U-Boot“.
Nach Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit übernahm selbiges 1951 das Gefängnis.
Ende der 50er Jahre wurde der U-förmige Neubau mit über 200 Zellen und Vernehmerzimmern errichtet. In dieser zentralen Untersuchungshaftanstalt wurden vor allem Regimekritiker und –gegner, sowie Menschen, die versucht hatten, die DDR zu verlassen bzw. dies geplant hatten, festgehalten und mit psychologisch ausgeklügelten Methoden zu Geständnissen gezwungen.
So wurden die Häftlinge beispielsweise über ihren Aufenthaltsort im Unklaren gelassen, ihnen wurde mit der Verhaftung der Verwandten und Freunde gedroht, die Kinder entrissen, sie selbst vollständig isoliert.
Auch Edda Schönherz hat in diesem Gefängnis gesessen. Sie war Moderatorin und Ansagerin in der DDR, jedoch nicht in der Partei organisiert. Bei einem Ungarn-Urlaub mit ihren beiden Kindern erkundigt sie sich in der westdeutschen und in der US-amerikanischen Botschaft nach ihren Möglichkeiten, aus der DDR auszureisen. Bereits in Ungarn wird sie verhört, darf aber wieder nach Berlin zurückreisen. An einem Morgen etwa eine Woche später, im September 1974, blickt sie nach dem Aufwachen in zwölf fremde Gesichter. Sie wirdaufgefordert, zur „Klärung eines Sachverhalts“ mitzukommen. Nachdem sie mit einem als Fleisch- und Wurstlieferant getarnten Barkas in das Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen gebracht wurde, folgen drei Monate der Verhöre und der psychischen Folter. Sie weiß nichts über den Verbleib ihrer Kinder und ihres Lebensgefährten, wird teilweise über 24 Stunden lang verhört, und wie tausende ihrer Leidensgenossen wird auch sie gedemütigt und verunsichert. Dank des gut durchdachten Sicherheitssystems bekommt sie während ihres Aufenthaltes nicht ein einziges Mal einen Mitgefangenen zu Gesicht, mit Ausnahme zweier Zellengenossinnen, von denen die eine eine Spionin ist. Gegen Ende Dezember schließlich wird sie „im Namen des Volkes“, wie sie betont zynisch kommentiert, wegen „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme und Vorbereitung zum illegalen Verlassen der DDR im besonders schweren Fall“ (als besonders schwerer Fall gilt der ihre, weil sie ihre Ausreise in der Gruppe geplant hatte; sprich, weil ihre Kinder dabei waren) zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie im Frauenzuchthaus Stollberg/Erzgebirge absitzen muss –bis auf den letzten Tag. Erst nach ihrer Entlassung sieht sie ihre Kinder wieder.
Ihr wird ein Job in einer Großbäckerei angeboten; als sie den ablehnt, weil sie „für diesen Staat keinen Finger mehr krumm machen“ will, droht man ihr weitere zwei Jahre Arbeitserziehungshaft an. „Deswegen gab es in der DDR auch keine Arbeitslosen oder Asozialen. Die saßen alle im Gefängnis“, so Schönherz.
Sie sucht vergeblich Hlife bei der evangelischen Kirche, und wendet sich anschließend an die katholische Kirche, die ihr sofort hilft. Sie bekommt eine Stelle als Fotografin bei der Caritas, ist somit ihren Häschern entkommen.
Weitere zwei Jahre muss sie auf ihre Ausreise warten. Schließlich wird sie an den Westen verkauft. Das Haus der Schönherz gehört ab jenem Tag nicht mehr ihr. „Ich musste das Haus der Stasi überlassen.“, sagt sie mit wenig wehmütiger Stimme. Es war der Preis für ihr neues Leben.
„Ich stand mit zwei Koffern und zwei Kindern auf dem Münchener Hauptbahnhof.“ Aber auch hier hat sie vorerst keine Ruhe. „Ich musste unbedingt wieder vor die Kamera. Das sollte meine Rache an denen sein. Und es hat geklappt.“ Kein ganzes Jahr später beginnt sie mit ihrer Arbeit für das Bayrische Fernsehen. Eine Arbeit, die sie zwanzig Jahre lang ausübt. Eines Tages, als sie die Nachrichten verliest, ist da eine Meldung dabei, die sie sich nicht erträumt hätte: „Ich konnte es gar nicht fassen. Ich dachte, die wollen mich veralbern. Da steht plötzlich auf meinem Zettel, dass die Mauer geöffnet wurde. Ich habe es erst gar nicht über meine Lippen bekommen. Ich war überwältigt.“
2002 kehrt Schönherz nach Berlin zurück, besichtigt die Gedenkstätte Hohenschönhausen als Besucherin. „Was die Führerin, eine Historikerin, erzählt hat, das hat mir einfach nicht gereicht.
Da habe ich sie unterbrochen und selbst angefangen, zu erzählen. Die mit mir in einer Gruppe waren, horchten interessiert.“ Kurz danach wird sie gefragt, ob sie nicht Interesse hätte, selbst solche Führungen zu leiten. „Das war eine schwierige Entscheidung. Darüber musste ich erst nachdenken.“
Seit 2004 führt Edda Schönherz nun Gruppen durch die Mauern des ehemaligen Stasi-Knastes.
Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass es ein Genuss ist, ihr zu lauschen. Zynisch, teilweise bitter, immer ihre Stimme geschickt einsetzend, gibt sie ihre Erfahrungen inklusive wissenswerter Details weiter.
Wir haben viel über Gummizellen, den Häftlingsalltag, das System, die Verhörmethoden und die Kälte in der ansonsten so naiv anmutenden Blümchentapenrepublik gelernt und am Ende des Tages waren viele von uns bedrückt, alle aber nachdenklich gestimmt.
(Julia Witton)